Die Geschichte der Lohfeldsiedlung

1919/20

Zu Beginn der Weimarer Republik wird die Lohfeldsiedlung als städtische Baumaßnahme im Karlsruher Osten errichtet. Die Bewohner der ersten Generation sind ausschließlich kinderreiche Familien, die von der Stadt Karlsruhe günstigen Wohnraum zugewiesen bekommen. Für den Bau der Siedlung erhält die Stadt Karlsruhe Domänengelände in Erbbaupacht und überträgt die Planungs- und Ausführungsarbeiten an die Bauhandwerkergenossenschaft Karlsruhe E.G.m.b.H. Unter Leitung der Architekten Pfeifer & Grossmann entstehen insgesamt 78 Kleinwohnhäuser in einfachem Standard mit Selbstversorgergärten. Da die Siedlung in der Nähe von Schloss Gottesaue liegt, trägt sie anfangs den Namen »Siedlung Gottesaue«, bisweilen wird sie als »Oststadtsiedlung« bezeichnet.

1921

Erstmals findet der Name Lohfeldsiedlung Erwähnung (vgl. StA Ka, 1/H.Reg. A 2752). »Lohfeld« ist die Jahrhunderte alte Bezeichnung des Flurnamens und verweist auf die einstmalige Waldlichtung mit niederem Graswuchs.

1927

Inzwischen sehen sich einige Familien gezwungen, Zimmer an Außenstehende zu vermieten, um ihre Geldnot zu lindern. In jener Zeit ist die Siedlung total ausgelastet. Sie erhält den Ruf »übel berüchtigt« und gar »schlimmer als das Dörfle« zu sein (vgl. StA Ka, 1/H.Reg. A 2752; das Dörfle ist ein nur noch in Relikten erhaltenes Altstadtquartier Karlsruhes).

1929

Erstellung eines Bebauungsplanes für das Gebiet der Lohfeldsiedlung sowie das angrenzende Gelände zwischen Lohfeldsiedlung und Schloss Gottesaue.

1943

Unter dem Mistweg zwischen Lohfeld- und Hennebergstraße wird ein Splittergraben (schmaler Bunker) ausgehoben.

1944

Bei Fliegerangriffen finden die Bewohner in den umliegenden Bunkern oder im Splittergraben Zuflucht. Teilweise werden die Häuser der Siedlung während der Bombardements zerstört (vgl. StA Ka, Abt.8/PBS VI/322-328).

1947/48

Die Bewohner bauen beschädigte Gebäude in Eigeninitiative wieder auf.

1952

Anstelle von zerstörten Reihenhäusern erstellt die Stadt Karlsruhe einige Geschoßwohnungsbauten. Wie schon beim Wiederaufbau 47/48 bleibt das Gesamtbild der Siedlung gewahrt.

1970er

Die Stadt Karlsruhe übergibt den Besitz der Lohfeldsiedlung an ihre städtische Immobiliengesellschaft, die »Volkswohnung GmbH«. In der Hennebergstraße wird eine Wohnzeile, bestehend aus vier Reihenhäusern, abgerissen.

1992

Aus dem städtebaulichen Ideenwettbewerb Karlsruhe-Südost Gottesaue – Bundesgartenschau (BUGA) 2001 geht ein erster Preisträger hervor, der über das Wettbewerbsgebiet hinaus entwirft. Hierbei wird das Gebiet der Lohfeldsiedlung überplant. Da dieser Entwurf die Grundlage für den vom Gemeinderat beschlossenen Rahmenplan Karlsruhe Südost darstellt, würde eine Realisierung dieser Vorstellungen eine rigide Flächensanierung und den kompletten Abriss der intakten Siedlung bedeuten.

1994

Bewohner der Lohfeldsiedlung gründen die Bürgerinitiative »Lohfeld«. Sie sammeln Unterschriften für eine Zukunft ihrer Siedlung (vgl. Artikel in den BNN vom 06.06.94 »Kein Abriss unserer Häuser«).

1995

Die Volkswohnung GmbH erwirbt die Grundstücke der Lohfeldsiedlung vom Land Baden-Württemberg, das Erbbaurecht wird somit aufgelöst.

2001

Es formiert sich erneut die »Initiative zum Erhalt und Sanierung der Lohfeldsiedlung« und führt ein direktes Gespräch mit der Eigentümerin, dies bleibt ohne Erfolg. Vielmehr werden Gemeinderat und Öffentlichkeit von der Volkswohnung GmbH über den geplanten Abriss der Siedlung informiert (vgl. Artikel in den BNN vom 21.08. 01 »Häuser können künftig nicht erhalten werden«). Gleichzeitig wird die Karlsruher Oststadt im südlich der Durlacher Allee gelegenen Bereich in das Soziale Stadt Programm (SSP) aufgenommen. Die Lohfeldsiedlung liegt im Bereich des SSP.

2002

In einem von der Stadt Karlsruhe organisierten Planerworkshop werden Ideen für den Erhalt der Lohfeldsiedlung erarbeitet. Daran anschließend äußert sich der Gemeinderat für den Teilerhalt der Siedlung. Die südlichen drei Wohnzeilen sollen durch mehrgeschossige Blöcke ersetzt werden – die übrige Siedlung kann von Bewohnern und Bürgern erworben werden. Wenn dies jedoch nicht gelingt, steht der Totalabriss an. Aus der Bürgerinitiative geht der gemeinnützige »Verein zum Erhalt der Lohfeldsiedlung e.V.« hervor.

2003

Aus dem Verein zum Erhalt der Lohfeldsiedlung e.V. konstituiert sich eine Käufergemeinschaft und steht in Verhandlungen mit der Volkswohnung GmbH. Für Bewohner, die in ihren Wohnungen oder in der Siedlung bleiben wollen, sucht der Verein Käufer, welche die bestehenden Mietverhältnisse übernehmen. Gleichzeitig wird das Büro a3architekten Haberkern-Sterzenbach mit der Ausarbeitung einer Gestaltungssatzung beauftragt. In ihr werden die vorhandenen wesentlichen Merkmale der Siedlung festgelegt und sie dient als Grundlage für die spätere Sanierung und Modernisierung.

2004

Während der Sommermonate läuft ein Angebotsverfahren, in dem Mitglieder des »Verein zum Erhalt der Lohfeldsiedlung e.V.« ihren Willen zum Kauf der zur Veräußerung freigegebenen Häuser notariell bekunden. Wenige Monate später erfolgt die Angebotsannahme. Damit geht die Siedlung für eine Summe von 4,2 Mio EUR an die Käufergemeinschaft über. Seither werden sukzessive leer stehende Häuser instand gesetzt und bewohnte Häuser renoviert.

2005

Als Leitfaden der Sanierung dient die vom Lohfeld-Verein in Auftrag gegebene Gestaltungssatzung, die von der Stadt Karlsruhe in wesentlichen Grundzügen in den Bebauungsplan aufgenommen wird. Im Lohfeld wird dadurch mit großem bürgerschaftlichem Engagement die Chance wahrgenommen, eine renovierungsbedürftige Altbausubstanz als Ressource für eine lebendige Stadtkultur zu begreifen und zu erhalten.

2006

Die Siedlung wird durch den Neubau von drei Reihenhäusern in der Hennebergstraße vervollständigt. In Kubatur und Dachform angeglichen sind die Neubauten eine Interpretation der bestehenden Bauweise.

2008

Die drei südlich gelegenen Wohnzeilen werden abgerissen.

2009

Unser Projekt »Erhalt und Sanierung der Lohfeldsiedlung in Karlsruhe durch ihre Bewohner« wird beim Wettbewerb »Stadt bauen. Stadt leben« in der Kategorie »Engagiert für die Stadt – Zivilgesellschaft und private Initiative« mit einem »Nationalen Preis für integrierte Stadtentwicklung und Baukultur« ausgezeichnet. Die offizielle Bekanntgabe und Prämierung der Preisträger durch Herrn Minister Tiefensee fand am 24.06.09 in Essen in der Zeche Zollverein als Auftakt zum »3. Bundeskongress Nationale Stadtentwicklungspolitik«, an dem wir ebenfalls teilnahmen, statt. Für den Wettbewerb wurde eine entsprechende Projekt-Dokumentation sowie ein repräsentatives Plakat erstellt und eingereicht.

2010

Erneute Auszeichnung für die Lohfeldsiedlung. Beim Wettbewerb »Bauen und Wohnen im Bestand« erhält unser Projekt eine Anerkennung. Unter 190 eingegangenen Beiträgen wurden 15 Projekte mit Preisen und Anerkennungen prämiert. Unser Projekt »Erhalt und Sanierung der Lohfeldsiedlung durch ihre Bewohner« erhielt eine Anerkennung. Die Übergabe aller Preise und Anerkennungen erfolgt im Rahmen des Städtebaukongresses am Dienstag, den 9. November 2010 in Karlsruhe.

Literatur

Chronik 1918/1919
Stadtverwaltung Karlsruhe (Hg.): Bauliche Entwicklung der Stadt, in: Chronik der Landeshauptstadt Karlsruhe für die Jahre 1918 und 1919. Jg. 34 und 35. Karlsruhe 1925, 279-88.
Chronik 1920-1923
Erwin Discher: Bauliche Entwicklung der Stadt, in: Chronik der Landeshauptstadt Karlsruhe für die Jahre 1920-1923. Jg. 36-39. Karlsruhe 1930, 15-20.
Johannes Dommer
Wie man in Karlsruhe baut und wohnt, in: Otto Berendt (Hg.): Karlsruhe. Das Buch der Stadt. Karlsruhe 1926, 47-54.
Ernst Otto Bräunche
„… eine Wohnungsnot, die katastrophale Ausmaße annahm.“ Zur Wohnungssituation in Karlsruhe vom Kriegsende 1918 bis zum Bau der Dammerstocksiedlung 1929, in: Bad. Landesmuseum Karlsruhe (Hg.): Neues Bauen der 20er Jahre. Gropius, Haesler, Schwitters und die Dammerstocksiedlung in Karlsruhe 1929. Karlsruhe 1997, 23-35.
Ernst Otto Bräunche
Die Wohnungsversorgung 1919-1933, in: Susanne Asche / Ernst Otto Bräunche / Manfred Koch u.a.: Karlsruhe. Die Stadtgeschichte. Karlsruhe 1998, 413-19.
Elke Allgaier
Die Lohfeldsiedlung. Ein Planungsbeispiel des sozialen Wohnungsbaus (1919/20), Teil 1 - In: BZK (Bürgerzeitschrift für Karlsruhe) - Oststadtbürger. Jg. 53 Nr. 2 (2002), 16-18. Teil 2 - In: BZK - Oststadtbürger. Jg. 53 Nr. 5 (2002), 2-5.
Elke Allgaier
Die Lohfeldsiedlung in Karlsruhe, In: Badische Heimat (Zeitschrift für Landes- und Volkskunde, Natur-, Umwelt- und Denkmalschutz). Jg. 83 Nr. 4 (2003), 662-666.
Elke Allgaier
Sozialer Wohnungsbau vor 85 Jahren. Die Lohfeldsiedlung in Karlsruhe, In: Blick in die Geschichte / Karlsruher stadthistorische Beiträge Nr.64 (2004)
Stadt Karlsruhe, Städtische Galerie Karlsruhe (Hg.)
Die 20er Jahre in Karlsruhe. Künzelsau 2005.

Quellen

Stadtarchiv Karlsruhe: 1/H.Reg. A 2752; H. Reg. A 1352.
Stadt Karlsruhe Stadtplanungsamt: Planungsworkshop „Im Lohfeld“. Dokumentation der Arbeiten. Aspekte der Stadtplanung Heft Nr.40. Karlsruhe 2002.
Verein zum Erhalt der Lohfeldsiedlung e.V. : Sammlung zeitgeschichtlicher Dokumente;